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Zu Besuch bei Familie Genç in Solingen

Am 1. November machte ich mich auf den Weg von Dornbirn nach Solingen. Die andere Gruppe war bereits am Vorabend losgefahren. Nach einer 10-stündigen Fahrt mit dem FlixBus kam ich am helllichten Tag um 6 Uhr in der Früh in Solingen an – bekannt als „Die Klingenstadt“¹.

Von einem alten Freund aus Solingen wurde ich abgeholt (um 6 Uhr in der Früh – nochmals vielen herzlichen Dank, Harun!) und wir fuhren als Erstes zum Mahnmal vor dem Mildred-Scheel-Berufskolleg. Anschließend ging es direkt ins Hotel, wo die Ersten der „Auto-Gruppe“ schon wach waren. Eine kleine Begrüßungsrunde, ein leckeres Frühstück im Hotel und schon war ich wieder topfit für den Tag. Vor dem Besuch bei Familie Genç verrichteten wir noch das Freitagsgebet – aber nun konnte es wirklich losgehen!

Eines muss ich aber noch loswerden: Während der Fahrt nach Solingen, während des Frühstücks sowie während des Freitagsgebets gingen mir viele Fragen und Gedanken durch den Kopf. Was erwartet mich hier in Solingen? Schlussendlich sind ja ganze 25 Jahre vorbei. Diese offenen Fragen wurden beantwortet, als wir zuerst an der Unteren Wernerstraße (dem Ort, an dem sich der Brandanschlag ereignet hatte) und anschließend bei Familie Genç zu Hause waren. Ich kann nicht in Worte fassen, wie herzlich wir empfangen und umsorgt wurden. Allein Frau Mevlüde Genç (Teyze) könnte ich stundenlang zuhören. Ich hatte nämlich das Gefühl, als ob wir uns schon ewig kennen würden. Über den Vorfall von damals wurde natürlich nicht gesprochen. Aber ich und alle in der Gruppe konnten innerlich mit unseren Herzen mitfühlen – als wäre der Brandanschlag nicht vor 25 Jahren, sondern erst vor Kurzem passiert.

Der Brandanschlag von Solingen ist eigentlich eine Message für uns. Eine Message, in der beschrieben wird, dass wir zusammenhalten müssen. Zusammenhalten gegen die rechtspopulistische Politik der Regierungen. Zusammenhalten mit Menschen, die diskriminiert werden, aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihres Geschlechts.

Für die anderen mag es eine Klingenstadt sein. Für mich ist und bleibt es eine Stadt der Trauer, in der der schrecklichste Vorfall der deutschen Nachkriegsgeschichte stattgefunden hat. Ich habe die Hoffnung, dass sich dieser Vorfall im zivilisierten Europa (und natürlich auch weltweit) nicht mehr wiederholt.

(Auch eine 20-stündige Fahrt würde ich in Zukunft in Kauf nehmen. Dies sind wir den Opfern der Familie Genç und deren Hinterbliebenen mindestens schuldig!)

¹ Die Stadt Solingen ist das Zentrum der deutschen Schneidwarenindustrie und führt seit 2012 den offiziellen Zusatz “Die Klingenstadt”.
(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Solingen [Stand:10.02.2019])

Muhammet Altundal
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