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Hass kann man verhindern, Wenn Hass den Alltag bestimmt
Ümmü Selime

Verschiedene Bilder werden vor unseren Augen schwirren, wenn wir an Österreich denken. Das Land mit den Bergen, seiner Natur, seiner Stabilität und der Lebensqualität. Eine emotionale Nähe entsteht zusätzlich, wenn man in diesem Land beheimatet ist. Es ist ein Privileg einen guten Lebensstandard zu haben und gemessen an ökonomischen Aspekten geht es uns in Europa einigermaßen gut. Global Peace Index (2016) zählt Österreich neben Island, Neuseeland, Portugal und Dänemark zu den friedlichsten Ländern der Welt. Die Mercer-Studie (2017) kennt mittlerweile jeder unter uns, die Wien zum achten Mal in Folge zur Stadt mit der höchsten Lebensqualität erklärt hat. Vergleicht man Zahlen und Fakten der Statistiken mit den Nachrichten, dann kann das auf dem ersten Blick paradox wirken. Bedrohung-Szenarien und eine gefühlte Welle an Unsicherheit und Angst dominieren auch unser alltägliches Leben in Österreich. Nationale und internationale Ereignisse bestimmen unsere Öffentlichkeit und können bei uns vielen unbehagliches Gefühl auslösen. Bei gefühlter Unsicherheit kann man diese Angst auf Menschen oder Gruppen projizieren und sie für Misslage verantwortlich machen.

In Österreich leben viele Musliminnen und Muslime, teils sind sie hier geboren, teils sind sie zugewandert. Aufgrund der Religionszugehörigkeit macht man unterschiedliche Erfahrungen, manche mehr, manche weniger schön. „Geht’s ham!“ oder „Sch*** Kopftücher“ sind einige von den vielen verbalen Äußerungen, die einige MuslimInnen zu hören bekommen. Die Inhalte der Angriffe ändern sich auch im Laufe der Zeit; Ausrufe wie „Terroristen“ häufen sich immer mehr, nicht minder wegen den globalen Ereignissen rund um die Welt. Die Gräueltaten kann man in der digitalen Welt zeitgleich mitverfolgen. „Alles im Namen der Religion“ heißt es. Wenn eine Muslimin in der Öffentlichkeit aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit von einem Unbekannten „sch*** Terroristin“ zu hören bekommt, dann muss doch etwas ordentlich schief gelaufen sein.

Nun fragt man sich, wo man die Grenze setzen muss, bevor etwas ganz Schlimmes passiert. Von einer anfänglichen Abneigung kann es schnell zu einer handgreiflichen Straftat werden, die gefährlich enden kann. In den letzten Jahren erfuhr man von einigen Angriffen auf Musliminnen, die körperlich verletzt wurden. Warum werden Menschen aufgrund ihrer Ethnie, ihres Backgrounds oder aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit angegriffen? In einer muslimischen Community hört man hin und wieder von solchen verbalen Angriffen, die auf dem Weg zur Schule oder in die Arbeit, oder sonst wo passieren. Von einer passiven Abneigung gegenüber MuslimInnen bis hin zum physischen Angriff – also Islamfeindlichkeit – liegt ein breiter Weg. Der Unbekannte greift die Person nicht an, weil er sie persönlich kennt, sondern weil sie für den Täter etwas symbolisiert. Deshalb hat diese Art von Angriff einen Symbolcharakter, wodurch eine Message mitgeteilt wird. Bei verbalen Angriffen kann man schwer gegen den Angreifer vorgehen, da dieser meist unbekannt ist und die Identität schwer festzustellen ist. Kritisch wird es, wenn der Angreifer handgreiflich wird, denn dies ist eine Straftat und muss dementsprechend geahndet werden. Islamfeindlichkeit in Form eines Strafdelikts wird Hassverbrechen / hate crime genannt.

Ein Hassverbrechen wird immer mit einem Motiv begangen und das Vorurteilsmotiv ist für den Täter / der Täterin – in diesem Fall – die Religionszugehörigkeit der Betroffenen. Der Täter möchte damit nicht nur dem Opfer die Message vermitteln, dass er quasi unerwünscht ist, sondern die Message richtet sich an die gesamte Religionsgemeinschaft. Diese Religion symbolisiert für den Täter / die Täterin in seiner/ihrer eigenen Welt Gefahr oder Bedrohung und denkt sich, dass er/sie sich wehren muss, indem er/sie sie angreift. Häufen sich solche Übergriffe auf MuslimInnen und verursachen diese Übergriffe Unbehagen in der Community, dann ist die Botschaft angekommen. Derartige Ereignisse führen dazu, dass man als Muslimin seine Freiheit schränkt. Beispielsweise gehen immer mehr Musliminnen nicht mehr spät Abend hinaus, vermeiden abgelegene Orte oder versuchen möglichst nicht alle unterwegs zu sein. Ist man direkt Opfer eines Hassverbrechens geworden, so zieht man sich komplett aus der Gesellschaft zurück und möchte nicht mehr daran teilhaben, weil die „Anderen“ ihn ja ohnehin nicht wollen.

Längerfristig führt es auf vielen Seiten zu Misstrauen, die Vorurteile häufen sich und die Stereotypen werden gefestigt. „Alle hassen Muslime“, „‘sie‘ mögen uns nicht“ oder „ich bin kein Teil der Gesellschaft“ sind einige von vielen Einbildungen, die sich im Laufe der Zeit manifestieren, wenn man nicht präventiv vorgeht. Um aber eine Tendenz aufzuzeichnen und eine Analyse über die Gesamtgesellschaft zu machen, bedarf es eines Archivierens der Vorfälle in Österreich. Aus diesem Grund wurde die Dokumentations- und Beratungsstelle Ende 2014 gegründet, um Zahlen und Fakten über Angriffe, aber auch über Zivilcourage zu sammeln. Man kann den Symptomen der Islamfeindlichkeit nur dann entgegenwirken, wenn man die Ursachen kennt. Hassverbrechen kann sich auch in Form einer Sachbeschädigung zeigen, indem muslimische Einrichtungen mit Parolen wie „Islam raus“ beschmiert oder sogar anzündet werden. Der Zeitpunkt eines Verbrechens ist ebenfalls von großer Bedeutung, da die Dokustelle seit der Archivierung der Daten vermehrt Fälle im Fastenmonat Ramadan aufzeichnet. Die mediale und politische Öffentlichkeit hat ebenfalls direkte Auswirkung auf den Alltag der muslimischen BürgerInnen. Im Jahr 2016 verzeichnete die Dokustelle die meisten Übergriffe auf Musliminnen in dem Zeitraum der Bundespräsidentschaftswahlen. Rund um den Wahltermin oder die Woche davor wurden vermehrt MuslimInnen in der Öffentlichkeit Islamfeindlich beschimpft oder physisch angegriffen, womit ebenfalls eine Botschaft vermittelt wird.

Wichtig ist hierbei konstruktive Arbeit zu leisten und die friedliche Koexistenz in Österreich beizubehalten. In Österreich sind viele NGO’s in diesen Bereichen aktiv und arbeiten hart gegen jede Art von Extremismen und Rassismen, die Unruhe in der Gesellschaft stiften. Die gefühlte Welle an Angst und Panik existieren auf allen Seiten und das Misstrauen wächst, obwohl wir statistisch gesehen eines der friedlichsten Länder der Welt sind und Wien die beste Lebensqualität anbietet. Um eine vorbeugende Arbeit zu leisten, ist es besonders wichtig, persönliche Begegnungen zu unterstützten, um so Vorurteile abzubauen. Vorurteile entstehen dort, wo es am wenigsten Kontakt mit unseren Mitmenschen gibt. Deshalb sollte es die Aufgabe eines jeden einzelnen von uns sein, auf Menschen zuzugehen, sie kennen zu lernen, um eventuell sein eigenes Schubladendenken zu dekonstruieren. Wichtig ist aber auch die Fälle zu melden und in diesem Bereich unterstützende Arbeit zu leisten, weil man nur durch Zahlen und Fakten gezielt präventiv gegen Hass und Islamfeindlichkeit arbeiten kann.
#gegenSpaltung #hatenomore

Ümmü Selime

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